Lesen Sie hier einen Artikel aus der Zeitschrift viseo vom März 2005 über den

KOI-HOF Rühen:

 

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MEDITATION AM GARTENTEICH: AUF DEM KOI-HOF IN RÜHEN

 

 

Es ist ein wenig verwirrend: Sie heißen Tancho, Shusui, Asagi oder Kujahu.

Wenn sie noch klein sind, bekommt man sie schon für eine Hand

voll Euros. Größere Exemplare dagegen erreichen locker

den Wert eines Oberklassewagens, manche sogar den eines Eigenheims. Die Rede

ist von Kois, jenen fernöstlichen Karpfen, die durch ihre gleichmäßige Form eines

lang gestreckten Zeppelins oder einer Zigarre seine Besitzer

faszinieren, gleichzeitig eine große Ruhe ausstrahlen.

viseo ließ die Seele baumeln.

 

Das zweiflügelige Tor zum Koi-Hof in Rühen öffnet sich ganz langsam.

Fernöstliche Musik dringt aus dem Wohnhaus. Nach einer

stressigen Autofahrt wirkt dies bereits ziemlich beruhigend. Peter

Buhl, ehemaliger Judoka und heutiger Importeur des Luxusfisches

aus Japan, hat auf seinem Hof einen Modellteich für Kois angelegt.

Gleich mehrere große Exemplare schwimmen im Rudel durch das

glasklare Wasser und sogleich stellt sich das Gefühl von Entspannung

und Ausgeglichenheit ein. »Sobald man an den Teich tritt,

beobachten einen die Kois«, sagt Buhl.

Ein beeindruckendes Farbenspiel vollzieht sich: Jeder Koi-Rücken

ist einzigartig in Muster und Farbgebung – die einen wirken metallicfarben,

andere besitzen ein Tannenzapfenmuster. Allen Kois ist

jedoch eines gemeinsam: die absolute Symmetrie.

Theoretisch können Kois eine Länge von bis zu 80 Zentimetern

erreichen und ihren Besitzer ein Leben lang begleiten: Das theoretisch

erreichbare Alter der zutraulichen Tiere – manche fressen

sogar aus der Hand ihres Besitzers – liegt bei über 75 Jahren.

Peter Buhl kennt sich beim Koi, der mittlerweile dem von den Deutschen

geliebten Goldfisch den Rang abläuft, hundertprozentig aus.

Vor allem in Sachen artgerechte Haltung: »Als Erstes muss ein

angemessener Teich errichtet, dann müssen die richtigen Filter

installiert werden. Erst danach bezieht der Koi seine neue Heimat«,

erzählt Buhl. Bemerkenswert außerdem: Ein Koi kann nur überleben,

wenn das Wasser nicht nur sauber, sondern auch in Bewegung

ist. Im Koi-Paradies in Rühen strömt das Wasser im Uhrzeigersinn.

Außer ein paar Prachtkois, die gern im Rudel schwimmen (»Der Koi

ist ein Gesellschaftsfisch«), schlingert überraschend auch ein Stör

auf dem Teichboden herum und wirbelt durch seine gleichmäßigen

Körperbewegungen den Schmutz auf. „Unser Saubermann: Er verhindert

die Ablagerung verunreinigender Stoffe, die so problemlos

abgepumpt werden können«, erklärt Buhl verschmitzt.

Da wäre noch die Frage nach der richtigen Ernährung. Was für

Champagner trinkende und Kaviar essende Promis in Monte Carlo

gilt, findet seine Entsprechung im exquisiten Koi-Becken. Denn

natürlich steht auch außergewöhnlichen Fischen ausgesuchte Nahrung

zu: Seidenraupen und Schrimps. Buhls weiterer Tipp: Paprika,

weil dies die rote Farbe intensiviert. Und wie bei der Schönheitsforschung:

Grünalgen.

Im Innern hängt ein absoluter Koi-Star – keine Angst: lediglich im

Bilderrahmen! – an der Wand, der jedem Koi-Züchter und Liebhaber

den Atem stocken lässt. Ein schneeweißer »Tancho« mit einem großen

und nahezu kreisrunden signalroten Fleck auf dem Kopf – als

trüge er die japanische Nationalflagge auf der Stirn. Buhl war durch

seine guten Kontakte nach Japan an das seltene Topexemplar herangekommen

– und hat es an einen Wolfsburger weiterverkauft.

Doch wie kommt man dazu, sich mit Kois zu beschäftigen? Peter

Buhl hat eine hohe Affinität zu Japan. Als ehemaliger Deutscher

Meister im Judo bereitete er sich 1972 auf die Olympischen Spiele

in München vor. Als damals 20-Jähriger war er häufig im Mutterland

der Kampfsportart zu Gast und machte dort zum ersten Mal

Bekanntschaft mit den Kois. In den frühen 70er Jahren schwappte

die Koi-Welle auch erstmals nach Europa über. Doch damals hatte

Buhl vor allem den Sport im Kopf – erst Mitte der 90er Jahre erinnerte

sich der beim Volkswagen-Konzern in der Logistik beschäftigte

Buhl an den Zierfisch und kam auf den Geschmack.

Über die Entstehung des Kois gibt es viele Sagen: Die Chinesen

erzählen die Geschichte von Konfuzius, der seiner Frau und seinem

Sohn zu dessen Geburt einen Karpfen schenkte. Einleuchtender

erscheint die Version, dass vor etwa 200 Jahren japanische Reisbauern

in der Gegend um Niigata, einer Küstenstadt am Japanischen

Meer, unter vielen graublauen Karpfen diejenigen aussortierten, die

weiße, schwarze, gelbe und rote Farbflecken aufwiesen. In den

folgenden Jahrzehnten wurden die Fische weitergezüchtet. Mittlerweile

versuchen sich auch Israelis und Thailänder an der Koi-Zucht.

Ein wenig extravagant ist er schon – der Koi. Die Preise eines Spitzenfischs

schnellen in die Höhe, sobald dieser prämiert wurde. Auf

der Koi-Messe in Rheda-Wiedenbrück zeichnet alljährlich eine japanische

Jury besondere Exemplare aus. Dann kann der Wert auch in

einen sechsstelligen Bereich abheben. »Manche kaufen sich Ferraris

oder andere Luxusartikel«, weiß Buhl, der die Koi-Messe jedoch

als durchaus zwiespältig empfindet, seien derartige Veranstaltungen

für die Tiere doch der absolute Stress.

Das Tor öffnet sich erneut, und schwupps ist man wieder in den

hektischen Alltag entlassen. Ein Besuch auf dem Koi-Hof sei hiermit

explizit auch Nichtliebhabern des fernöstlichen Fisches empfohlen.

 

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